Hinweisgeberschutz – Die Rolle des Betriebsrats beim Hinweisgeberschutzgesetz Teil 2

In Umsetzung der EU-Hinweisgeberschutzrichtlinie (RL (EU) 2019/1937) zum Schutz von Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit beobachtete Verstöße melden, ist am 02. Juli 2023 das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) in Kraft getreten (BGBl. 2023 I Nr. 140 vom 02.06.2023).

Lesen Sie Teil 1 unseres Blog-Beitrags zu den Informations-, Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates und in unserem baldigen Teil 3, welche Aufgaben der Betriebsrat nun bei Einführung eines Hinweisgeberschutzsystems hat.

Schaffung neuer Arbeitsplätze vs. Übernahme zusätzlicher Aufgaben

Arbeitgeber können eine interne Meldestelle einrichten, indem sie entweder einen eigenen Arbeitnehmer, ein aus mehreren eigenen Arbeitnehmern bestehendes Team oder einen Dritten mit den Aufgaben einer internen Meldestelle betrauen (vgl. § 14 Abs. 1 HinSchG).

Unabhängig davon, ob sich der Arbeitgeber dafür entscheidet, die Aufgaben der internen Meldestelle mit seinen bestehenden Arbeitnehmern zu besetzen oder neue Arbeitnehmer hierfür einzustellen, handelt es sich hierbei wohl in der Regel, um eine Frage der internen personellen Besetzung, die Beteiligungsrechte des Betriebsrates begründen kann (§ 99 BetrVG).

Fragestellungen bei personeller Besetzung der internen Meldestelle

§ 99 BetrVG regelt die Mitwirkung des Betriebsrates bei personellen Einzelmaßnahmen, d.h. der Arbeitgeber mit regelmäßig mehr als 20 Arbeitnehmern hat den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person sowie Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrates zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Zu solchen Einzelmaßnahmen zählt auch, wenn Arbeitnehmer neben ihrer eigentlichen Tätigkeit mit der Wahrnehmung von zusätzlichen Aufgaben, wie der einer internen Meldestelle betraut werden.

Überproportionaler Mehraufwand bei kleineren Unternehmen

In kleineren Unternehmen wird der durch das HinSchG zu erwartende Mehraufwand die Schaffung neuer Arbeitsplätze kaum rechtfertigen. Arbeitnehmer werden wohl eher zusätzlich zu ihrer eigentlichen Tätigkeit nun auch mit der Wahrnehmung der Aufgaben der internen Meldestelle betraut werden. Das HinSchG sieht dies auch ausdrücklich vor (vgl. § 14 Abs. 1 HinSchG). Empfehlenswert wäre es deshalb, die Aufgaben der internen Meldestelle auf einen bereits bestehenden Compliance Officer oder Datenschutzbeauftragten zu übertragen.

Übernahme zusätzlicher Aufgaben als Versetzung

Nehmen Arbeitnehmer zusätzlich zu ihrer eigentlichen Tätigkeit auch die Aufgaben der internen Meldestelle wahr, stellt sich die Frage, ob es sich im konkreten Einzelfall um eine mitbestimmungspflichtige Versetzung im Sinne des § 99 BetrVG handelt oder lediglich um eine mitbestimmungsfreie „Aufgabenerweiterung“. Eine Versetzung liegt vor, wenn die Zuweisung der „neuen“ Arbeitsaufgaben (also die Übernahme der Aufgaben der internen Meldestelle) voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet oder die Arbeitsaufgaben von den bisherigen Aufgaben erheblich abweichen (vgl. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG).

Mitbestimmungspflichtige Versetzung vs. mitbestimmungsfreie „Aufgabenerweiterung“

Eine Abweichung vom bisherigen Aufgabenbereich liegt vor, wenn dem Arbeitnehmer ein neuer Tätigkeitsbereich zugewiesen wird, bei dem sich das Gesamtbild der bisherigen Tätigkeit so erheblich verändert hat, dass die neue Tätigkeit vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters als „andere“ anzusehen ist (vgl. BAG, Beschluss vom 29.09.2020, Az.: 1 ABR 21/19).

Mitbestimmungspflichtige Versetzung bei erheblicher Änderung des Aufgabenbereichs

D.h. eine Versetzung kann sich aus dem Wechsel des Inhalts der Arbeitsaufgaben und der mit ihnen verbundenen Verantwortung, aus einer Änderung des Arbeitsorts oder der Art der Tätigkeit, mit einer Änderung der Stellung und des Platzes des Arbeitnehmers innerhalb der betrieblichen Organisation ergeben. Das Beteiligungsrecht des Betriebsrates knüpft bei der Versetzung ausschließlich an die tatsächliche Zuweisung eines neuen Arbeitsbereichs als Realakt an. Für den Versetzungsbegriff im Sinne des § 99 BetrVG kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber vertraglich im Verhältnis zu dem konkreten Arbeitnehmer überhaupt zur Versetzung berechtigt ist.

Betrauung leitender Angestellter mitbestimmungsfrei

Bei der zusätzlichen Betrauung eines Compliance-Officer oder Datenschutzbeauftragten mit den Aufgaben der internen Meldestelle könnte man wohl davon ausgehen, dass es sich lediglich um eine mitbestimmungsfreie „Aufgabenerweiterung“ handelt. Zumal es sich bei diesen beiden Personen in der Regel um leitende Angestellte handeln dürfte. Bei leitenden Angestellten entfällt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in jedem Fall, da der Betriebsrat für leitende Angestellte nicht zuständig ist (§ 5 Abs. 1 und 3 BetrVG; vgl. BAG, Beschluss vom 11.11.1997, Az.: 1 ABR 21/97).

Bestellung zum Datenschutzbeauftragten als Paradebeispiel der Versetzung

In den übrigen Fällen sprechen allerdings gewichtige Gründe für eine mitbestimmungspflichtige Versetzung. Hierfür spricht u.a. die Parallelwertung zum Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Bestellung eines Datenschutzbeauftragten. Das Bundesarbeitsgericht bejaht hier eine Versetzung (vgl. BAG, Beschluss v. 22. März 1994 – 1 ABR 51/93). Eine Versetzung liegt bereits deshalb vor, da dem Datenschutzbeauftragten nach dem Bundesdatenschutzgesetz eigenständige Aufgaben zugewiesen sind, die dieser weisungsfrei zu erfüllen hat. Welchen Anteil die eigentliche oder die neu hinzugekommene Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter an der Gesamtarbeitszeit hat, ist dabei für die Einordnung als Versetzung unerheblich.

Parallelen zwischen Datenschutzbeauftragten und interner Meldestelle

Die Bestellung eines Datenschutzbeauftragten sowie die Übernahme der Aufgaben der internen Meldestelle haben gemein, dass mit der Wahrnehmung der jeweiligen Aufgaben eine besondere Rechtsstellung gegenüber dem Arbeitgeber verbunden ist.

Genauso wie das Bundesdatenschutzgesetz (Art. 38 DSGVO) sieht auch das HinSchG vor, dass die mit den Aufgaben einer internen Meldestelle beauftragten Personen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig sein müssen und sichergestellt sein muss, dass sie ihre Tätigkeit frei von Interessenkonflikten erfüllen können (§ 15 Abs. 1 HinSchG).

Höchstrichterliche Entscheidung zur Versetzung beim HinSchG noch ausstehend

Bis zur höchstrichterlichen Entscheidung dieser Fragestellung ist Arbeitgebern deshalb zu empfehlen, vorsorglich von einer Versetzung auszugehen und den Betriebsrat zu informieren und um Zustimmung, für die Zuweisung der Aufgaben der internen Meldestelle an den Arbeitnehmer zusätzlich zu seiner eigentlichen Tätigkeit, zu ersuchen (§ 99 Abs. 1 BetrVG).

Zustimmungsverweigerungsrecht bei Neueinstellungen

Entscheidet sich der Arbeitgeber dafür, die Übernahme der Aufgaben der internen Meldestelle durch Neueinstellungen zu lösen, stehen dem Betriebsrat in jedem Fall Informations- und Zustimmungsverweigerungsrechte zu (§ 99 BetrVG). Dann kann der Betriebsrat Neueinstellungen blockieren und die Einrichtung und die Inbetriebnahme der internen Meldestelle unnötig verzögern. Zudem kann der Betriebsrat vor der Neueinstellung verlangen, dass die Ausschreibung der Stellenbesetzung für die Wahrnehmung der Aufgaben der internen Meldestelle zuerst innerhalb des Betriebs erfolgt (§ 93 BetrVG).

Übertragung der Aufgaben auf externe Dritte löst personelle Fragestellungen

All diese Überlegungen würden entfallen, wenn der Arbeitgeber die Aufgaben der internen Meldestelle auf einen externen Dritten übertragen würde. Wie wir bereits in Teil 1 unseres Blog-Beitrags zu den Informations-, Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates dargestellt haben, besteht trotz der Übertragung der Aufgaben auf externe Dritte das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates aufgrund der Vorgaben zum Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) bzw. der Einrichtung einer technischen Einrichtung (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG); was entfällt, ist lediglich das in diesem Blog-Beitrag diskutierte Mitbestimmungsrecht zur personellen Besetzung nach § 99 BetrVG.

11.09.2023

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