Hinweisgeberschutz – Die Rolle des Betriebsrats beim Hinweisgeberschutzgesetz Teil 1

In Umsetzung der EU-Hinweisgeberschutzrichtlinie (RL (EU) 2019/1937) zum Schutz von Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit beobachtete Verstöße melden, ist am 02. Juli 2023 das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) in Kraft getreten (BGBl. 2023 I Nr. 140 vom 02.06.2023).

Einführung eines Hinweisgeberschutzsystems – Beteiligungsrechte des Betriebsrats

Besteht im Unternehmen ein Betriebsrat, berührt die Einführung interner Meldesysteme, wie zum Hinweisgeberschutz, in der Regel dessen Beteiligungsrechte. Hierbei stellen sich zahlreiche Fragen, u.a. wann die Pflicht beginnt den Betriebsrat einzubinden und wie weit die Einbindung des Betriebsrats bei der Einführung eines internen Meldesystems reicht.

Unterrichtung des Betriebsrats bei der Einführung des Meldesystems

Nicht erst bei der Implementierung, sondern bereits bei der Diskussion um die Einführung eines Meldesystem zum Hinweisgeberschutz wird der Betriebsrat einzubinden sein. Denn der Arbeitgeber hat den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über alles zu unterrichten, was der Betriebsrat für die Wahrnehmung seiner Aufgaben benötigt (§ 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG). Der Betriebsrat soll in eigener Verantwortung prüfen, ob und welche Beteiligungsrechte ihm zustehen.

Ausgestaltung des Meldesystems betrifft das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer

Während Anordnungen des Arbeitgebers, die die Erbringung der Arbeitsleistung betreffen und damit die Leistungserbringung konkretisieren, mitbestimmungsfrei sind, sind Anordnungen in Bezug auf die betriebliche Ordnung, mitbestimmungspflichtig (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Vorgaben zum Ordnungsverhalten dienen der Sicherung eines ungestörten Arbeitsablaufs und der Wahrung des Betriebsfriedens.

Anordnungen zum Ordnungsverhalten können sowohl verbindliche Verhaltensregeln als auch Maßnahmen sein, die das Verhalten der Arbeitnehmer lediglich steuern, um die Ordnung des Betriebs zu gewährleisten. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats sollte nach unserer Ansicht wohl bereits bei der Einführung interner Richtlinien zur konkreten Ausgestaltung eines internen Meldesystems bestehen.

Weiter Spielraum für Arbeitgeber bei Ausgestaltung des Meldesystems

Das HinSchG lässt dem Arbeitgeber bei der konkreten Ausgestaltung des Meldesystems einen relativ großen Spielraum. Zwar regelt das HinSchG die Pflicht zur Einrichtung, Organisation einer internen Meldestelle und die ersten Schritte nach Eingang einer Meldung relativ umfassend. Allerdings lässt das HinSchG dem Arbeitgeber bei der Wahl des Meldekanals zur Übermittlung der Meldung der hinweisgebenden Person an die internen Meldestellen einen Gestaltungsspielraum. Einzige Vorgabe des HinSchG ist diesbezüglich, dass Meldungen in mündlicher oder in Textform möglich sein müssen. Hierzu gehören auch IT-gestützte Meldesysteme.

Mitbestimmungsrecht bei Einführung konkretisierender Vorgaben

So obliegt es dem Arbeitgeber die konkrete Form des Meldekanals auszuwählen und die weitere Bearbeitung bzw. Umgang mit einer Meldung – soweit das HinSchG nicht bereits verpflichtende Vorgaben enthält – konkreter, z.B. in Form einer internen Richtlinie, zu regeln. Da die Einführung von Regelungen bezüglich eines standardisierten Meldesystems das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer betrifft und dabei über die Vorgaben des HinSchG hinausgeht – d.h. diese konkretisiert –, ist davon auszugehen, dass der Betriebsrat diesbezüglich wohl ein bestimmtes Mitbestimmungsrecht haben könnte (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG).

Mitbestimmungsrecht bei IT-gestützten Meldekanälen

Nach dem HinSchG müssen Meldungen in mündlicher oder in Textform möglich sein, d.h. in Betracht kommende Meldekanäle sind z.B. Hotline, Anrufbeantworter, persönliche Zusammenkunft, Briefkasten, E-Mail oder IT-gestützte Lösungen. Fällt die Wahl auf ein IT-gestütztes Meldesystem hat der Betriebsrat nach unserer Ansicht wohl ergänzend ein Mitbestimmungsrecht aufgrund der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die objektiv geeignet sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).

Einführung eines IT-gestützten Meldesystems als technische Einrichtung

Ein IT-gestütztes Meldesystem ist eine verschlüsselte Softwarelösung bzw. digitales Tool, das unter Wahrung der Vertraulichkeit der Identität die Kommunikation zwischen der hinweisgebenden Person und der internen Meldestelle ermöglicht. Über die Softwarelösung lassen sich Meldungen abgeben und in Kontakt bleiben, ohne eine andere Software als einen Internet-Browser zu verwenden. Das Mitbestimmungsrecht sollte bereits dann anzunehmen sein, wenn die Möglichkeit besteht, dass über ein IT-gestütztes Meldesystem Meldungen eingehen, die Hinweise zur Arbeitsleistung anderer Mitarbeiter enthalten. Da dies beim HinSchG nicht ausgeschlossen ist, ist die Einführung eines IT-gestützten Hinweisgebersystems wohl grundsätzlich mitbestimmungspflichtig.

Mitbestimmungsrecht trotz Übertragung auf externe Dritte

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates sollte nach unserer Ansicht auch dann bestehen, wenn sich der Arbeitgeber dafür entscheiden sollte, die Aufgaben der internen Meldestelle auf einen externen Dritten zu übertragen. Die Entscheidung der Übertragung liegt zwar beim Arbeitgeber. Der Arbeitgeber kann die Mitbestimmung durch den Betriebsrat jedoch dadurch nicht umgehen. Denn trotz Übertragung der Aufgaben der internen Meldestelle auf einen externen Dritten, betreffen die Anordnungen des Arbeitgebers zum Meldesystem weiterhin das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer. Lesen Sie unseren Blog-Beitrag zur Möglichkeit der Übertragung der Aufgaben der internen Meldestelle auf Dritte.

 

Lesen Sie in unseren (zukünftigen) Teil 2 und Teil 3 unseres Blogs zur Rolle des Betriebsrats bei der Einführung eines Hinweisgeberschutzsystems, insbesondere zu den sich daraus ergebenden Personalfragen bei Besetzung der internen Meldestelle und was der Betriebsrat jetzt zu tun hat.

04.09.2023

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