Zukunftsfinanzierungsgesetz – Überblick über geplante Änderungen im Gesellschafts-, Kapitalmarkt-, Steuer- und Aufsichtsrecht

Nach dem Referentenentwurf vom 12. April 2023 ist nun auch der Regierungsentwurf vom 16. August 2023 für das deutsche Zukunftsfinanzierungsgesetz veröffentlicht worden. Doch welche Änderungen sind für das Gesellschafts-, Kapitalmarkt-, Steuer- und Aufsichtsrecht konkret geplant und erreichen diese tatsächlich das Ziel des Gesetzesvorhabens?

Geplantes Ende des Gesetzgebungsverfahren ist für Herbst/Winter 2023 geplant. Die geplanten Änderungen sollen teilweise ab dem 01. Januar 2024 und teilweise bereits einen Tag nach der Verkündung in Kraft treten.

Ziel des Zukunftsfinanzierungsgesetzes

Sinn und Zweck sowie auch Ziel des Zukunftsfinanzierungsgesetzes ist, durch Digitalisierung, Entbürokratisierung und Internationalisierung den deutschen Finanzmarkt und den Wirtschaftsstandort Deutschland sowohl für nationale als auch internationale Unternehmen attraktiver zu machen

Von Start-ups über Scale-ups bis zu kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) – all diesen Unternehmen soll das Zukunftsfinanzierungsgesetz zugutekommen. Der Zugang zum Kapitalmarkt und die Aufnahme von Kapital soll erleichtert werden. Die Ziele des Zukunftsfinanzierungsgesetzes decken sich hierbei mit dem von der Europäischen Kommission am 07. Dezember 2022 vorgelegten sogenannten Listing Act zur Änderung dreier bestehender Rechtsakte (Entwurf zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/1129 (EU-Prospektverordnung), der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 (Marktmissbrauchsverordnung) und der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 (Europäische Finanzmarktverordnung, MiFIR).

Eine Auswahl der geplanten Änderungen im Überblick

Lesen Sie nachfolgend eine nicht abschließende Auswahl der durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz geplanten Änderungen:

Anhebung der 10%-Grenze beim Bezugsrechtsausschluss

Kapitalerhöhungen können bei Aktiengesellschaften grundsätzlich nur unter Berücksichtigung des Bezugsrechts der bestehenden Aktionäre erfolgen. In ausgewählten Fällen ist jedoch der Bezugsrechtsausschluss zulässig.

Beim „vereinfachten“ Bezugsrechtsausschluss nach § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG sind Kapitalerhöhungen mit Bezugsrechtsausschluss zulässig, wenn die Bareinlagen 10 % des derzeitigen Grundkapitals nicht übersteigen und der Ausgabebetrag der neuen Aktien den Börsenkurs nicht wesentlich unterschreitet.

Nach dem Zukunftsfinanzierungsgesetz soll diese Grenze auf 20 % erhöht werden.

In der Praxis wurde der vereinfachte Bezugsrechtsausschluss insbesondere beim „Genehmigten Kapital“ genutzt. Der in der Hauptversammlung gefasste Beschluss zur Änderung der Satzung ermächtigt den Vorstand einer Aktiengesellschaft für einen Zeitraum von bis zu 5 Jahren das Grundkapital der Gesellschaft, um bis zu 50% zu erhöhen. Satzungsregelungen zum genehmigten Kapital normieren hierbei oft, verschiedene Möglichkeiten, um das Bezugsrecht der bestehenden Aktionäre auszuschließen. Der vereinfachte Bezugsrechtsausschluss ist lediglich einer dieser Möglichkeiten.

Durch die Erhöhung von 10% auf 20% wird die Entscheidung für ein genehmigtes Kapital zukünftig noch attraktiver.

Anhebung der Höhe bei der bedingten Kapitalerhöhung

Aktuell kann bedingtes Kapital in Höhe von bis zu 50% des Grundkapitals der Aktiengesellschaft für die Gewährung von Umtausch- oder Bezugsrechten aufgrund von Wandelschuldverschreibungen oder die Vorbereitung von Unternehmenszusammenschlüssen geschaffen werden. Kapitalerhöhungen finden somit nur insoweit statt, wie von Umtausch- oder Bezugsrechten Gebrauch gemacht wird.

Das Zukunftsfinanzierungsgesetz soll weitere Erleichterungen schaffen, wie u.a. für den Fall bedingten Kapitals bei Unternehmenszusammenschlüssen. Die 50%-Grenze soll auf 60% erhöht werden, sofern das bedingte Kapital für Unternehmenszusammenschlüsse genutzt wird. Ob die Erhöhung der Grenze ausschließlich für die Fälle von Unternehmenszusammenschlüssen einen praktischen Nutzen aufweist, ist zu beobachten.

Eine weitere wohl deutlich praxisrelevantere Änderung dürfte die Erhöhung der Grenze zur Gewährung von Bezugsaktien an Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsführung sein. Diese Grenze wurde von 10% auf 20% erhöht, um Management- und Mitarbeiterbeteiligungsprogramme attraktiver zu machen.

SPACs

Ein SPAC (Special Purpose Acquisition Company) ist eine Mantelgesellschaft, die kein eigenes operatives Geschäft betreibt und die gegründet und im Anschluss an einer Börse gelistet wird. Ziel ist es, den SPAC zu einem späteren Zeitpunkt in eine operative Gesellschaft umzuwandeln, u.a. durch Einbringung einer oder mehrerer operativen Gesellschaften im Wege einer Sachkapitalerhöhung. Ein SPAC ist auch unter dem Begriff des „Reverse IPO“ bekannt und bietet Unternehmen einen erleichterten Zugang an die Börse.

Um einen Reverse IPO noch weiter zu erleichtern, soll zukünftig das Aktiengesetz Rahmenbedingungen für eine solche „Börsenmantelaktiengesellschaft“ vorsehen. Eine dieser Rahmenbedingungen ist, u.a. die zwingende Führung des Rechtsformzusatzes „Börsenmantelaktiengesellschaft“. Daneben soll die Satzung Anforderungen an den Unternehmensgegenstand sowie die zwingende Möglichkeit virtueller Hauptversammlungen vorsehen. Im Fokus steht die Ausgestaltung der Rechte der Hauptversammlung. Es soll auch in der Zuständigkeit der Hauptversammlung liegen, die Entscheidung zu treffen, mit welcher operativen Gesellschaft die Börsenmantelgesellschaft ausgestattet werden soll.

Aktionären der Börsenmantelaktiengesellschaft soll zudem ein Andienungsrecht ihrer Aktien gegenüber der Gesellschaft gegen Rückzahlung der Einlage und eines etwaigen Agios zustehen. Selbstverständlich stets vorausgesetzt, dass diese Aktionäre gegen den Beschluss der Hauptversammlung Widerspruch zur Niederschrift erklärt haben. Um einen Konflikt mit dem Verbot der Einlagenrückgewähr und dem Verbot des Erwerbs eigener Aktien bis zu 10% durch die Gesellschaft zu vermeiden, soll das geplante Andienungsrecht vom Tatbestand der Einlagenrückgewähr ausgenommen werden und Erwerbsgrenze der Gesellschaft für den Erwerb eigener Aktien für den Fall der Ausübung des Andienungsrechts auf 30% angehoben werden.

Erleichterung des Börsenzugangs

Die Voraussetzungen der Börsenzulassung sollen reduziert werden. Insbesondere die Mindestmarktkapitalisierung, d.h. der voraussichtliche Kurswert der zuzulassenden Aktien für einen Börsengang, an der viele Unternehmen scheitern, soll von EUR 1,25 Mio. auf EUR 1 Mio. reduziert werden. Auch die Voraussetzung eines Emmissionsbegleiters als Mitantragsteller soll wohl entfallen. wurde. Überdies ist geplant, auch die Kosten rund um die Börsenzulassung zu reduzieren.

Kryptoaktien als elektronische Aktien

Alternativ zu „klassischen“ Aktienemissionen sollen Aktienemissionen zukünftig auch auf Grundlage der Blockchain- bzw. Distributed-Ledger-Technologie (DLT) möglich sein; d.h. das Kapitalmarktrecht wird nun endlich für elektronische Aktien eröffnet. Hierfür öffnet sich das deutsche Recht für elektronische Wertpapiere. Kryptoaktien sollen als elektronische Namensaktien ausgegeben werden können.

Zusätzliche Aktien durch die neuen § 255a und § 255b AktG-E

§§ 255a und b AktG-E ermöglichen die Gewährung zusätzlicher Aktien anstatt rein barer Zuzahlung – meist in die Kapitalrücklagen. Die zusätzlichen Aktien resultieren entweder aus dem Bestand an eigenen Aktien der Gesellschaft oder die sie nach § 71 AktG erwirbt.

Daneben soll es noch die Möglichkeit geben, die zusätzlich zu gewährenden Aktien ohne Liquiditätsabfluss im Wege einer Sachkapitalerhöhung zu (er-)schaffen.

(Wieder-)Einführung von Mehrstimmrechtsaktien

1998 gab es noch Mehrstimmrechtsaktien. Mehrstimmrechtsaktien sind Aktien, die einem Aktionär mehr Stimmen einräumen, als es seiner Kapitalbeteiligung am Grundkapital entspricht.

Nach dem Regierungsentwurf sollen Mehrstimmrechtsaktien mit einem Stimmrecht von bis zu 10:1 möglich sein. Die Möglichkeit von Mehrstimmrechtsaktien macht die Rechtsform der Aktiengesellschaft zukünftig wohl noch interessanter. Mehrstimmrechtsaktien dürften insbesondere im Verhältnis Gründer und Investoren zum Einsatz kommen, um den Gründern trotz ihrer geringeren Kapitalbeteiligung ihren Einfluss auf das Unternehmen zu bewahren.

Die deutschen Aufsichtsbehörden öffnen sich für das Ausland und die Digitalisierung

Auch die Kommunikation zwischen Unternehmen und Aufsichtsbehörde soll insbesondere für ausländische Unternehmen erleichtert werden. Zukünftig soll die Kommunikation auch englischsprachig möglich sein. Zwar war die englischsprachige Kommunikation bis jetzt in der Praxis bereits gängig. Nun soll diese Möglichkeit jedoch ausdrücklich gesetzlich geregelt werden. Insbesondere Inhaberkontrollanzeigen, Unterlagen, Mitteilungen und Erklärungen bei der BaFin und der Deutschen Bundesbank sollen zukünftig ganz oder teilweise in englischer Sprache möglich sein. Allerdings soll bei Bedarf die Vorlage einer (beglaubigten) Übersetzung verlangt werden können.

Vor dem Hintergrund der Digitalisierung soll auch die Kommunikation weg von der Schriftform hin zu Textform. Schriftformerfordernisse sollen in den jeweiligen Normen durch die elektronische oder Textform (z.B. E-Mail) ersetzt werden. Bestandteil der zukünftig geplanten elektronischen Kommunikation soll auch die Bekanntgabe bzw. Zustellung von Verwaltungsakten der BaFin, wie z.B. Erlaubnisbescheide.

…und vieles mehr

Eine der wesentlichen Neuerungen im Steuerrecht ist, u.a. bei Management- und Mitarbeiterbeteiligungen zu finden. Insbesondere Start-ups sowie kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sollen in der Mitarbeitergewinnung und -bindung gefördert werden. Um dieses Ziel zu erreichen soll, u.a. die Dry-Income-Problematik für Arbeitnehmer im Steuerrecht abgemildert werden.

28.08.2023

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Hinweisgeberschutz – auch ohne Gesetz bereits Pflicht für Geschäftsführer und Vorstände?

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