Besonderer Kündigungsschutz für intern mit der Bearbeitung von Meldungen betrauten Beschäftigten?!

Das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) schützt – in Umsetzung der EU-Hinweisgeberschutzrichtlinie (RL (EU) 2019/1937) – Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit beobachtete Verstöße von Unionsrecht, nationalen strafbewehrten oder sogar teilweise bußgeldbewehrten Vorschriften melden. Hierfür sollen Beschäftigungsgeber ab 50 Beschäftigten und Unternehmen aus bestimmten Branchen unabhängig ihrer Beschäftigtenzahl interne Meldestellen zur Bearbeitung solcher Meldungen einrichten.

Bearbeitung der Meldungen durch im Unternehmen Beschäftigte oder durch externe Dritte

Mit den Aufgaben der internen Meldestelle können entweder eigene Beschäftigte oder externe Dienstleister (sogenannte Ombudspersonen) betraut werden. Wenn Verpflichtete überlegen, ihre eigenen Beschäftigten mit den Aufgaben der internen Meldestelle zu betrauen – und sich somit gegen die Betrauung von externen Ombudspersonen entscheiden –, sollte ein möglicherweise geltender besonderer Kündigungsschutz dieser Beschäftigten nicht außer Acht gelassen werden. Naturgemäß gibt es zu einem möglichen besonderen Kündigungsschutz solcher Beschäftigen vor dem Hintergrund des erst in Kraft getretenen HinSchG noch keine (höchstrichterliche) Rechtsprechung.

Gleichstellung von intern mit der Bearbeitung von Meldungen betrauten Beschäftigten mit Datenschutzbeauftragten?

Spezielle Normen, die ausdrücklich auf intern mit der Bearbeitung von Meldungen betraute Beschäftigte zugeschnitten sind und – wie bei Datenschutzbeauftragten – einen eventuellen besonderen Kündigungsschutz regeln, gibt es im HinSchG nicht. Allerdings könnte man intern mit der Bearbeitung von Meldungen betraute Beschäftigte aufgrund ihrer Aufgabenstellung und ihres (fachlichen) Anforderungsprofils – die stark der eines Datenschutzbeauftragten ähneln – eventuell einem Datenschutzbeauftragten gleichstellen.

Denn beide Stellungen müssen die Vertraulichkeit der Identität der Meldenden schützen und bei der Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig und weisungsfrei sein. Wenn sie innerhalb des Unternehmens daneben auch andere Aufgaben und Pflichten wahrnehmen, müssen Interessenkonflikte vermieden werden. Zudem müssen beide Stellungen, die notwendige Fachkunde für die Bearbeitung von Meldungen (z.B. durch Schulungen) aufweisen.

Besonderer Kündigungsschutz für intern mit der Bearbeitung von Meldungen betraute Beschäftigte?

Folge einer Gleichstellung wäre die entsprechende Anwendung des besonderen Kündigungsschutzes von Datenschutzbeauftragten auch auf intern mit der Bearbeitung von Meldungen betraute Beschäftigte. Rechtsprechung gibt es zu einer solchen Gleichstellung bislang allerdings noch nicht.

Besonderer Kündigungsschutz von Datenschutzbeauftragten

Datenschutzbeauftragte kann der Arbeitgeber nach Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO in Verbindung mit § 6 Abs. 4 BDSG nur aus wichtigem Grund abberufen (im Sinne von § 626 BGB). Dies gilt auch für Kündigungen innerhalb eines Jahres nach dem Ende der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter im Unternehmen; d.h. Datenschutzbeauftragte kann der Arbeitgeber grundsätzlich nicht ordentlich kündigen. Der Datenschutzbeauftragte genießt somit in Deutschland einen besonderen Kündigungsschutz (vgl. EuGH, Urteil vom 09.02.2023, Az. C-453/21, C-560/21).

Wichtige Gründe

Doch was sind solche wichtigen Gründe? Wann kann ein Datenschutzbeauftragter abberufen werden? Es gibt leider keinen Katalog bzw. eine abschließende Aufzählung solcher wichtigen Gründe. Denn es kommt hierbei immer auf die individuellen Umstände und die Betrachtung im Einzelfall an. Ein wichtiger Grund liegt stets dann vor, wenn objektive Tatsachen das Arbeitsverhältnis so schwerwiegend belasten und das Vertrauen so nachhaltig zerstören, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Wichtige Gründe könnten deshalb sein, u.a. sexuelle Belästigung, Gewalt, (schwerer) Diebstahl oder Betrug zu Lasten des Arbeitgebers.

Abberufung bei Interessenkollision

Wichtiger Grund für die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten kann auch das Vorliegen einer Interessenkollision sein. Aber wann liegt eine solche Interessenkollision tatsächlich vor? Die deutschen Gerichte scheinen auch hier einen sehr strengen Maßstab anzulegen und auch z.B. bei einem Datenschutzbeauftragten, der gleichzeitig Betriebsratsvorsitzender ist, keine Interessenkollision zu sehen (vgl. EuGH, Urteil vom 09.02.2023, Az. C-453/21, C-560/21). Da stellt sich die berechtigte Frage, welche konkrete Interessenkollision denn vorliegen müsste, damit eine Abberufung ausnahmsweise gerechtfertigt ist.

BDSG strenger als die DSGVO

Da das deutsche Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) strenger als die europäische Datenschutzverordnung (DSGVO) ist, hat das Bundesarbeitsgericht den EuGH zuletzt auch um Auslegung der entsprechenden DSGVO-Normen, insbesondere Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO, ersucht. Die Frage des Bundesarbeitsgerichts war darauf gerichtet, ob die in Deutschland geltenden strengeren Anforderungen an die Abberufung von Datenschutzbeauftragten überhaupt mit der europäischen Regelung zur Stellung des Datenschutzbeauftragten vereinbar sind und überhaupt angewendet werden müssen. Denn nach der Regelung in der DSGVO kann ein Datenschutzbeauftragter abberufen werden, sofern sich die Abberufung nicht auf Gründe stützt, die sich auf die Erfüllung seiner Aufgaben beziehen (Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO). Im Gegensatz dazu geht das BDSG deutlich weiter und lässt eine Abberufung nur aus wichtigem Grund im Sinne des § 6 Abs. 4 BDSG in Verbindung mit § 626 BGB zu.

Laut EuGH BDSG mit DSGVO vereinbar

Nun entschied der EuGH (vgl. EuGH, Urteil vom 09.02.2023, Az. C-453/21, C-560/21), dass es den Mitgliedstaaten freistünde, die Regelungen der DSGVO noch strenger zu regeln und umzusetzen. Zudem haben auch stets die nationalen Gerichte im Einzelfall über die Abberufung zu entscheiden.

Besonderer Kündigungsschutz eventuell auch bei intern mit der Bearbeitung von Meldungen betrauten Beschäftigten

Aufgrund der dargestellten Ähnlichkeit von Datenschutzbeauftragten und intern mit der Bearbeitung von Meldungen betrauten Beschäftigten im Rahmen des HinSchG ist nicht unwahrscheinlich, dass die hohen Hürden für die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten auf interne Ombudspersonen im Rahmen einer Kündigung entsprechend anzuwenden sein könnten. Die Kündigung eines intern mit der Bearbeitung von Meldungen betrauten Beschäftigten wäre somit lediglich bei Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB zulässig.

Keine Klarheit für Arbeitgeber – Unsicherheit bei Kündigungen

Das Urteil des EuGH bekräftigt zwar die bisherige Rechtsprechung zur starken Stellung eines Datenschutzbeauftragten. Damit ist klargestellt, dass Datenschutzbeauftragte einen besonderen Kündigungsschutz genießen. Wie weit ein solcher besonderer Kündigungsschutz reicht und wann somit ein solcher wichtiger Grund, u.a. der Interessenkollision, tatsächlich vorliegt, ist jedoch weiterhin unklar. Auch noch nicht geklärt, ist die in diesem Beitrag diskutierte Vergleichbarkeit der Stellung der intern mit der Bearbeitung von Meldungen betrauten Beschäftigten mit der eines Datenschutzbeauftragten und die damit einhergehende entsprechende Anwendung des besonderen Kündigungsschutzes.

Worauf Unternehmen deshalb achten sollten

Aufgrund dessen sollten sich Unternehmen gut überlegen, ob sie für die Aufgaben einer internen Meldestelle bzw. Bearbeitung von Meldungen nicht lieber externe Personen bzw. Dienstleister (sog. Ombudspersonen) betrauen. Denn mit der Betrauung von externen Ombudspersonen könnte nicht nur die Belastung eigener personeller Ressourcen entfallen, sondern auch die dargestellte Kündigungsunsicherheit vermieden werden.

15.11.2023

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