Neue Rechtsform: GmbH mit gebundenem Vermögen (GmbH-gebV) – nützlich oder nicht?

Bis jetzt hat das von der Berliner Stiftung Verantwortungseigentum initiierte und von verschiedenen bekannten Persönlichkeiten und Unternehmen unterstützte private Vorhaben der Einführung einer neuen Rechtsform, der sogenannten GmbH mit gebundenem Vermögen (GmbH-gebV), seinen Weg noch nicht auf die Tagesordnung der Bundesregierung gefunden. Erwartungen waren und sind weiterhin groß, dass die mittlerweile nicht mehr ganz so „neue“ Bundesregierung das Vorhaben weiter vorantreiben würde.

Bestandteil des Koalitionsvertrags der nicht mehr so „neuen“ Bundesregierung

Zumindest regelt der Koalitionsvertrag der Bundesregierung vom 07. Dezember 2021 das Vorhaben und/oder Ziel, dass zu einer modernen Unternehmenskultur auch neue Formen wie Sozialunternehmen oder Gesellschaften mit gebundenem Vermögen gehören. Für Unternehmen mit gebundenem Vermögen bzw. dem sogenannten Verantwortungseigentum wollte die Bundesregierung zudem eine neue geeignete Rechtsgrundlage schaffen, die jedoch Steuersparkonstruktionen ausschließen soll. Da es hierzu bis jetzt weder einen Referentenentwurf noch einen Regierungs- oder Gesetzesentwurf gibt, schloss sich im zweiten Quartal 2023 eine Initiative von mehreren Wirtschaftsverbänden zusammen, um von der Bundesregierung die zeitnahe Einführung der Rechtsform zu fordern.

Hintergrund des Vorhabens

In den letzten Jahren ist in der rechtswissenschaftlichen Diskussion das kontroverse Thema des Verantwortungseigentums aufgekommen. Thema war insbesondere, ob Deutschland einer entsprechenden Rechtsform bedarf. Insbesondere die im Jahr 2019 gegründete Berliner Stiftung Verantwortungseigentum hatte diese Diskussion intensiv vorangetrieben.

Grundidee der GmbH-gebV

Ziel der Wirtschaftsverbände ist die Stärkung der sozialen Marktwirtschaft, der unabhängigen Unternehmen sowie des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Die neue Rechtsform soll mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit bieten, mehr Nachfolgeinteressenten zu finden und die Verantwortung an eine neue Form der Nachfolgeinteressenten, wie z. B. Mitarbeiter o. Ä. zu übertragen. Durch den Abbau von Bürokratie und Kosten soll es mittelständischen Unternehmen und Start-Ups durch die neue Rechtsform erleichtert werden, ihr Unternehmen gemeinnützig auszurichten.

Durch das sogenannte Verantwortungseigentum soll die private Vermögensbildung der Anteilsinhaber in den Hintergrund gerückt werden und Mitarbeitern, Kunden sowie Geschäftspartnern stattdessen eine nachhaltige, wertebasierte und zukunftsorientierte Perspektive angeboten werden.

Wesentliche Merkmale der GmbH-gebV

Wesentliches Element der GmbH-gebV soll eine zwingende Gewinnausschüttungssperre sein, d.h. Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter sind verboten. Zudem soll ein ausscheidender Gesellschafter lediglich den Nennwert für seine Geschäftsanteile erhalten, und nicht den Verkehrswert bzw. tatsächlichen Wert. Entsprechendes soll für den Fall der Liquidation gelten. Zudem sollen Gewinnabführungsverträge, verdeckte Gewinnausschüttungen (wie auch bei der klassischen GmbH) und Umwandlungen in eine Gesellschaftsform ohne Vermögensbindung oder Gemeinnützigkeit verboten.

Auch wenn sich die bisherigen Entwürfe hinsichtlich der konkreten Bezeichnung der Rechtsform noch uneinig sind – teilweise wird von der „GmbH in Verantwortungseigentum“, „GmbH mit gebundenem Vermögen“ oder auch der „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ gesprochen – sind sich die Entwürfe bei den wesentlichen Typusmerkmalen einig: (i) Vermögensbindung und ihre Kontrolle, (ii) ein aktives Gesellschafterverständnis sowie (iii) Flexibilität beim Gesellschaftszweck.

Hinsichtlich der sonstigen rechtlichen Rahmenbedingungen sollen für die GmbH-gebV allerdings dieselben Regelungen gelten wie für die klassische GmbH. Gesellschaftszweck und Gegenstand des Unternehmens sollen auch bei der GmbH-gebV frei bestimmbar und jederzeit in der Satzung änderbar sein; ein Nachhaltigkeitsbezug und/oder Gemeinnützigkeit muss nicht gegeben sein.

Kernelement 1: Vermögensbindung und ihre Kontrolle

Kernelement einer GmbH-gebV soll die unabänderliche Vermögensbindung sein. Gewinne können weder offen noch verdeckt an die Gesellschafter ausgeschüttet werden, sondern müssen thesauriert, investiert oder gemeinnützig gespendet werden. Gewinne sollen somit rechtlich verbindlich für eine langfristige Unternehmensentwicklung verwendet werden.

Die GmbH-gebV soll für eine „langfristig unabhängige Unternehmensführung durch treuhänderische Eigentümer“ stehen. Die GmbH-gebV solle „kein Spekulationsgut“ sein und somit vom Kapitalmarkt und dessen Teilnehmern unabhängig sein. Die Gesellschafter sollten keine monetären Interessen verfolgen, sondern das Unternehmen im Rahmen und Form einer treuhänderischen Verwaltung halten, führen und voranbringen. „Verantwortungseigentümer“ sollen im Gegensatz zur klassischen GmbH demnach keine „Vermögenseigentümer” (mehr) sein.

Offen ist aktuell noch die Regelung etwaiger Schutzmechanismen gegen den bewussten Missbrauch des Elements der Vermögensbindung. Hier wird es womöglich auf die klassischen Mechanismen hinauslaufen, d.h. einen Erstattungsanspruch der Gesellschaft gegen die Gesellschafter auf Rückzahlung unzulässiger (Aus-)Zahlungen und eine Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers.

Zur Überprüfung der Leistungs- bzw. Zahlungsströme, insbesondere im Verhältnis GmbH-gebV und Gesellschafter wird aktuell noch die Pflicht zur Erstellung eines jährlichen Vermögensbindungsberichts diskutiert, der durch einen Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater zu erstellen oder zumindest zu prüfen wäre.

Kernelement 2: Gesellschafterverständnis gleich Werteverständnis

Die GmbH-gebV erfordert sozial handelnde und denkende Gesellschafter, die sich ihrer Rolle als lediglich Treuhänder – trotz ihrer tatsächlichen Eigentümerstellung – bewusst sind und eine langfristige Unternehmensentwicklung anstreben. Gewinnansprüche haben die Gesellschafter nicht, die Zahlung etwaiger Vergütungen und/oder Honorare erfolgt unter strenger Berücksichtigung des Angemessenheitsgrundsatzes und dem Leistungsprinzip. Die Geschäftsanteile sollen nicht vererbbar sein und lediglich gegen Zahlung des Nennwertes übertragen werden können.

Kernelement 3: Flexibilität beim Gesellschaftszweck

Da weder ein bestimmter Gesellschaftszweck und/oder Gegenstand des Unternehmens vorgegeben werden soll, sind Gesellschafter bei der Wahl von Gesellschaftszweck und Gegenstand des Unternehmens frei. Auch die Änderung und/oder Erweiterung des Gesellschaftszwecks und/oder Gegenstand des Unternehmens sollen jederzeit von den Gesellschaftern in der Satzung per satzungsändernden Beschluss geändert werden können. Die GmbH-gebV kann, muss jedoch weder einen Nachhaltigkeitsbezug aufweisen noch einen gemeinnützigen Gesellschaftszweck und/oder Gegenstand des Unternehmens verfolgen.

Abgrenzung zu bestehenden (gemeinnützigen) Rechtsformen

Unternehmensverbundene Stiftungen sind nicht immer eine geeignete Rechtsform. Zwar ist die Vermögensbindung gesichert, allerdings ist eine unternehmerische Betätigung (fast) unmöglich und nur bei Schaffung komplizierter, mehrschichtiger Konstruktionen möglich. Durch Schaffung der mehrschichtigen Konstruktionen wird versucht, die gesellschaftsrechtlichen Einschränkungen der Stiftung zu umgehen. Aufgrund des hohen Beratungs- und finanziellen Aufwands zur Schaffung solcher mehrschichtiger Konstruktionen sind Stiftungen für die meisten mittelständischen Unternehmen und Start-ups wohl grundsätzlich weniger gut geeignet. Die GmbH-gebV soll demgegenüber eine kostengünstige und flexible Alternative zur unternehmensverbundenen Stiftung sein.

Genossenschaften sehen im Gegensatz zur GmbH-gebV keine langfristige Vermögensbindung vor und der Zweck ist vor allem die Förderung ihrer Mitglieder.

Die gGmbH genießt vor allem steuerrechtliche Vorteile. Der Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung sieht jedoch vor, dass die neue Rechtsform der GmbH-gebV gerade keine steuerlichen Sondervorteile erhalten soll. Kernelement ist die Vermögensbindung durch die Thesaurierung der Gewinne anstatt der Durchführung von Gewinnausschüttungen. Überdies muss die gGmbH gemeinnützige oder besonders gemeinwohlförderliche Zwecke verfolgen. Die GmbH-gebV will dies jedoch gerade nicht, sondern offen und flexibel für alle möglichen Gesellschaftszwecke und/oder Unternehmensgegenstände sein.

Bedürfnis nach einer weiteren Rechtsform?

Die Idee der Einführung einer GmbH-gebV wird kontrovers diskutiert. Die Kritik bezieht sich allerdings weniger auf die konkrete Umsetzung der neuen Rechtsform als vielmehr auf Bedenken an ihrem tatsächlichen Bedarf. Mit den bestehenden Rechtsformen gebe es nach unserer Ansicht bereits genügend Möglichkeiten eines nachhaltigen und langfristigen Unternehmertums.

So viel Altruismus realistisch?

Fraglich ist zudem auch, wem die neue Rechtsform zugutekommen soll bzw. welche Adressaten es für eine solche Rechtsform geben soll. Denn das Kernelement der Vermögensbindung braucht altruistischer Gesellschafter, die durch und trotz ihrer Mitwirkung beim Unternehmensaufbau, Unternehmensentwicklung sowie der Unternehmenswertsteigerung nicht das Interesse haben dürfen, an dieser von ihnen selbst mitbeeinflussten Wertsteigerung zu partizipieren. Ist ein solcher Grad an Altruismus realistisch? Dies wird man nur herausfinden können, sollte die GmbH-gebV tatsächlich eingeführt werden. Man kann intensiv und ausgiebig über die Sinnhaftigkeit einer solchen neuen Rechtsform diskutieren. Allerdings bleibt potenziellen Gründern im Ergebnis trotzdem weiterhin die freie Wahl der für sie passenden Rechtsform; insbesondere auch die Wahl zwischen der klassischen GmbH und der GmbH-gebV. Gründer hätten lediglich einen größeren Pool an möglichen Rechtsformen, aus denen sie wählen könnten.

Bereits verschiedene Möglichkeiten der Unternehmensnachfolge

Auch dem Argument der Berliner Stiftung, dass insbesondere Familienunternehmen mit fehlenden Unternehmensnachfolgern aus dem familiären Umfeld von einer solchen Rechtsform wie der GmbH-gebV profitieren könnten, können wir nicht zustimmen. Wenn ein Familienunternehmen keine fähigen oder willigen Nachfolger im familiären Umfeld findet, die das Unternehmen übernehmen können und möchten, braucht es keiner GmbH-gebV. Mittlerweile gibt es durch die (auch steuerlich ansprechenden) Möglichkeiten der Mitarbeiter- und Managementbeteiligung, Management-Buy-outs, Geschäftsanteilsverkäufe an dritte Unternehmen uvm. genügend Möglichkeiten der Nachfolgeorganisation. Einer neuen Rechtsform braucht es somit nach unserer Ansicht auch vor diesem Hintergrund nicht.

Stellungnahme des wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzministeriums

Der wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums empfiehlt die Einführung der GmbH-gebV nicht. Denn nach Einschätzung des wissenschaftlichen Beirats bieten die bestehenden Rechtsformen ausreichend Möglichkeiten für eine nachhaltige und soziale Unternehmensgründung, -schaffung und Unternehmenswertsteigerung.

Der wissenschaftliche Beirat hält die zwingende Gewinnausschüttungssperre sowohl wirtschafts- als auch wettbewerbspolitisch nicht für empfehlenswert. Nach seiner Ansicht ist das Argument, dass individuelles Gewinnstreben und die Beteiligung am Kapitalmarkt ein verantwortungsvolles Unternehmertun verhindert, nicht nachvollziehbar.

Nachhaltige und langfristige Unternehmensentwicklung bereits gängig

Überdies würden die bestehenden (gemeinnützigen) Rechtsformen bereits ausreichen, um ein vor allem auf Nachhaltigkeit und Vermögensbindung gerichtetes Unternehmertum zu ermöglichen. Mangels empirischer Belege bezweifelt der wissenschaftliche Beirat zudem auch, dass durch die Vermögensbindung und den Verkauf der Geschäftsanteile nur zum Nennwert das Ziel einer nachhaltigen, langfristigen Unternehmensführung mit geeigneten Gesellschaftern und/oder Geschäftsführern überhaupt umgesetzt werden kann (vgl. Stellungnahme des wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzministeriums, Zum Vorschlag einer GmbH mit gebundenem Vermögen, Gutachten 04/2022 vom 28. September 2022).

Auch vor dem Hintergrund der bereits bestehenden und sich immer weiter entwickelnden Corporate Governance Leitlinien – hin zu einem immer mehr auf Nachhaltigkeit und Langfristigkeit ausgerichteten Unternehmertums – erscheint eine GmbH-gebV nach unserer Ansicht fast überflüssig zu sein.

08.11.2023

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